Mirjam Walter
Der größte Teil des Bildes ist Himmel. Der Himmel ist bewegt und bewölkt. Im unteren Teil des Bildes verlaufen die Pinselstriche horizontal, der obere Teil des Himmels ist kreisend gemalt. Der obere Teil drückt von rechts nach links entgegen die tieferliegenden Rosa, Rot- und Brauntöne der Abendstimmung. Der Horizont verschwimmt mit der Landschaft. Vielleicht gibt es dort Hügel, die der Nebel unkenntlich macht … Dieser Bereich ist trotz der durchgängig horizontalen Pinselführung unruhig. Ungeklärt. Leicht unterhalb der Bildmitte ist der Himmel rot, als wäre dort eine Öffnung, eine offene Wunde zwischen Himmel und Erde. Rechts davon Bäume, die in den Himmel hinein ragen: Pappeln. Rechts von den Pappeln geht die Öffnung in ein dickes und zähes Braun über.
Die Malerei hat Eile. Die Sonne ist bereits untergegangen.
Ganz unten ist es feucht, moorig. Die Bäume spiegeln sich in der Pfütze, deren Ränder gebrochen sind. Die Wiese ist aufgerissen. Der Himmel färbt das Wasser in einem schmutzigen und weichem rosa. Dir würde hier sehr viel Matsch an deinen Schuhen kleben bleiben.
Weiter hinten grasen Kühe. Sie sind so klein im Verhältnis zur Landschaft. Es gibt drei Grüppchen und eine Einzelgängerin. Vielleicht sind in der Ferne noch welche: drei weiße Punkte. Der ganze Horizont ist tupfend gemalt.
Die Bäume sind die größte Lust. Der Pinsel hat vermutlich nur leicht das zähe Braun an der Spitze aufgenommen und wurde danach in Öl getaucht, sodass ein unregelmäßiger Farbauftrag in einer flüssig gleitenden Bewegung möglich ist. Diese explosive Bewegung beginnt im unteren Drittel des Stammes.
Die dünnste Pappel ist eine einzige lockere Bewegung.
Die Landschaft ist so schwer und die Malweise so selbstverständlich. Wie ein Fleischgericht in einem deutschen Restaurant auf dem Land. Etwas drückt so sehr, dass es nicht zum Aushalten ist.
Die Landschaft kennt deinen Schmerz nicht und teilt ihn trotzdem mit dir.
Machen die Kühe Geräusche? Sie scheinen ruhig und satt.
Es gibt keine Menschen. Es gibt Lichtreste. Die Sonne war noch vor kurzem in den Pfützen, in den dreckigen Krusten, den Rissen, den trockenen Momenten der Landschaft. Sie war da, mit einem warmen, gelben Licht.
Mihály Munkácsy: Landschaft mit Viehherde bei Jouy-en-Josas am Abend, 1881, Öl auf Mahagoniholz, 92,5 x 130 cm, Hamburger Kunsthalle.